Historisches über Neidenbach in der Eifel

Steinhauerhandwerk und Schleifsteinindustrie

Allgemeines zur Entwicklung

Verbindungen zu den Metall-Schleifereien
Die Entwicklung in Neidenbach Die Hilfsgewerbe der Steinindustrie
Sandstein-Lexikon  


Verbindungen zu den Metall-Schleifereien im Bergischen Land
 

Schon daraus ist zu ersehen, daß die Schleifsteinproduktion in der Eifel von erheblich größerer Bedeutung war. Die Entwicklung der Kleineisenindustrie im Bergischen Land ist ohne das Schleifsteinhauergewerbe an der Kyll gar nicht denkbar. Beide Landschaften und Handwerke waren über die große Entfernung hinweg jahrhundertelang aufs engste verbunden und beeinflußten einander nachhaltig. Jede Änderung in den Bergischen Klingen- und Werkzeugschmieden wirkte sich über die Schleifer, welche fast alle Eisen- und Stahlwaren verkaufsfertig zu machen hatten, unmittelbar in den Sandsteinbrüchen der Eifel aus. Andererseits gab es direkte Zusammenhänge zwischen der Arbeitsorganisation in den Steinbrüchen und dem Schleiferhandwerk. Genau so häufig wie die Bergischen Schleifer in die Eifel reisten, um sich z. B. bei der Einführung neuer Stahlsorten oder neuer Schmiedewaren an Ort und Stelle das geeignete Steinmaterial auszusuchen, mußten die Steinhauer aus der Eifel wohl auch ins Bergische Land kommen, wo sie Schleifsteine umzuhauen oder bei gelegentlichen Reklamationen Schäden auszubessern hatten. Als es bei der Rationalisierung des Kleineisengewerbes im Zuge der modernen Massenproduktion wegen der angestammten Privllegien der Schleifer, die zäh verteidigt wurden, zu Schwierigkeiten kam, suchte man deren Monopolstellung dadurch zu brechen, daß man Eifeler Schleifsteinhauer als Schleifer in den Fabriken hielt. Bei ihren Erfahrungen mit dem Steinmaterial gab es beim Umlernen keine besonderen Schwierigkeiten. Zu engeren Kontakten kam es auch dadurch, daß Schleifkottenbesitzer oder ehemalige Schleifer aus dem Gebiet von Solingen und Remscheid den größten Teil der Schleifsteinproduktion des Schleifsteinhandels an sich zogen. Auf diese Weise wirkten sie bei der Ausweitung der Steinhauerei in der Eifel entscheidend mit.

Für die in zahlreichen Sorten hergestellten Werkstücke des Bergischen Kleineisengewerbes wurden Schleifsteine verschiedener Größe, die von 1,20 m bis ungefähr 3 m variierte, und verschiedener Härtegrade gebraucht, die härteren zum Schärfen von Schneiden, die weicheren zum Planschleifen der Flächen z. B. von Sägeblättern, Schaufeln, Feilen und anderen Werkzeugen. Man muß sich vor Augen halten, daß fast alle Schmiedeerzeugnisse zur Fertigstellung des sachkundigen Schliffs bedürfen. Manche werden während der verschiedenen Bearbeitungsstufen sogar mehrmals geschliffen. Auch hierzu wird Schleifmaterial von unterschiedlicher Qualität benötigt. Dies erfordert große Erfahrung von den Schleifern. Auch einwandfrei gearbeitete Werkstücke können durch falschen Schliff verdorben werden. Allein schon daraus erklärt sich die Sonderstellung der Schleifer, die sich in Einzelfällen mit ihren Schleifkotten bis heute eigenständig neben den Schmieden halten konnten. Solange man ausschließlich auf den Naturstein als Schleifmittel angewiesen war, mußte es auf eine große Variationsbreite der Materialeigenschaften ankommen.

Der Eifeler Sandstein wurde diesen Anforderungen vorzüglich gerecht, da man ihn auf engem Raum in unterschiedlichen Qualitäten findet. In den Talzonen der Kyll ist er härter als in den Berglagen, und auch dort wechseln die Eigenschaften von Steinbruch zu Steinbruch. Der Übergang von der Sensen- zur Werkzeugindustrie im Remscheid-Cronenberger Gebiet, der sich endgültig im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog, hatte zur Folge, daß ein wesentlicher Teil der Schleifsteinproduktion aus dem Tal in das Höhengebiet von Neidenbach verlegt wurde. Nach der Jahrhundertwende wurden alle neuen Schleifsteinbrüche hier angelegt. Bis zuletzt war es so, daß in jedem der zahlreichen Brüche für einen anderen Zweig der Bergischen Eisenindustrie gearbeitet wurde. Da der Sandstein hier in mächtigen Bänken lagert, die nur in weiten Abständen von schmalen Klüften durchzogen sind, konnten auch Schleifsteine in jeder gewünschten Größe hergestellt werden. Gewicht und Umfang wurden lediglich beschränkt durch die Tragfähigkeit der Transportmittel und seit der Möglichkeit des Eisenbahntransports durch die Spurbreite der Schienenstrecke. Feine Sprünge, die der Sandstein gelegentlich aufweist - sie können den in der Schleife aufgehängten Stein bei der hohen Umdrehungsgeschwindigkeit von 15 m/sek zum Zerplatzen bringen und dadurch den Schleifer gefährden -, kommen in den Höhenlagen so gut wie gar nicht vor. Auch dies ist ein Vorzug des Neidenbacher Steinmaterials.

Die entscheidende Voraussetzung für alle Schleifarbeiten ist die feinkörnige Struktur des Sandsteins. Der gebundene Sand muß sich beim Reiben unter der Einwirkung von Wasser leicht aus der Oberfläche herauslösen lassen. Dadurch ergibt sich trotz des stark angreifenden Schliffs jene fein polierende Wirkung, die dem Schleifgut den hellen Metallglanz verleiht, seine Flächen glättet und den Rostansatz erschwert. Außerdem wird eine starke Hitzeentwicklung vermieden, unter der sich das Metall verziehen könnte und die durch den Härtevorgang erreichte Beschaffenheit verlieren müßte. Diese Vorzüge der Neidenbacher Schleifsteine wurden in den dreißiger Jahren von der Bergischen Eisenindustrie hervorgehoben, als die Auseinandersetzung mit dem Gewerbeaufsichtsamt um den Natur- oder Kunststein in der Schleiferei begann. Sie ist gegen den Widerstand vieler Schleifer längst zugunsten der künstlichen Schleifsteine entschieden, die in ihren Eigenschaften entsprechend den Anforderungen der verschiedenen Schleifgüter vervollkommnet wurden. Bei den Sandsteinen war die vielseitige Verwendbarkeit naturgegeben. Inzwischen sind auch die Kunststeine weitgehend von den viel leistungsfähigeren Schleifmaschinen abgelöst worden, die 1950 aufkamen. Nur für Werkstücke, bei denen an schwer zugänglichen Stellen Radien, Kanten oder Rundungen geschliffen werden müssen, sind sie nicht einsetzbar. Hierzu braucht man weiterhin Handschleifer und Kunststeine. Aber wie früher sind auch noch Sandsteine in Gebrauch. In Remscheid gibt es zwei Betriebe, die für die Flächenbearbeitung großer Gattersägen darauf angewiesen sind. Da es vorerst noch kein gleichwertiges Schleifmittel gibt, erteilt man ihnen zweijähng befristete Ausnahmegenehmigungen. Für diese beiden Betriebe produzieren die letzten Schleifsteinhauer in Neidenbach.

Das strenge Verbot der Sandsteinverwendung, das den Niedergang des Eifeler Schleifsteingewerbes bedeutete, ist durch die gefürchtete Berufskrankheit der Schleifer, die Silikose, begründet. Die leichte Ablösbarkeit der Sandkörner auf der Schleiffläche an der Peripherie der Schleifsteine bewirkt, daß sich der Stein niemals glatt reibt. Er bleibt auch bei stärkster Beanspruchung griffig, weil aus dem Untergrund stets neue Sandkornschichten hervortreten. Dies ist einerseits der Grund für die ideale Schleifwirkung der Eifeler Steine und erklärt andererseits den schnellen Verschleiß. Bei Sandsteinrundlingen von 2,65 m Durchmesser, den größten, die heute verwendet werden, rechnet man je nach Härte des Materials mit einer Lebensdauer von 4 bis 6 Wochen. Man kann sich den früher enorm großen Bedarf an Nachschub für die mehreren hundert Schleifereien des Bergischen Landes vorstellen. 1907 gab es allein im Remscheider Gebiet 168 Schleifer. Die Geschäftsbücher einer der zahlreichen Handelsfirmen für Schleifsteine, die in Neidenbach eigene Steinbrüche unterhielt, weisen aus, daß zur damaligen Zeit in den Sommerhalbjahren monatlich ein Güterzug mit 50- 80 großen Schleifsteinen abgefertigt wurde. Die schnelle Abnutzung wirkte sich wirtschaftlich äußerst belebend aus, hatte aber auch eine weniger erfreuliche Folge. Trotz des Wasserzulaufs auf den Schleifstein - der Schliff von stählener oder gestählter Were erfolgt im sogenannten Naßschleifverfahren - wird ein Teil des herausgelösten Quarzsandes zu Staub zerrieben. Er verunreinigt die Atemluft, dringt in die Lunge ein und kann ernste gesundheitliche Schäden verursachen.

Diese Gefahr war bei den früher gebräuchlichen Knieschleifen besonders groß. Auf ihnen wurden die Schleifstücke mit den Knien angedrückt, die durch Holzschienen geschützt waren, und gleichzeitig von Hand quer über den Stein geführt. Es ist klar, daß diese Arbeit viel Kraft und Geschicklichkeit erforderte. Da sich die Schleifer dabei über den Stein beugen mußten, der mit seiner unteren Hälfte in den Schleiftrog hineinreichte, atmeten sie den konzentrierten Steinstaub ein. Die Schleiferkrankheit wurde zur Zeit der Bachkotten als unvermeidlich angesehen. Man nahm es fast als selbstverständlich hin, daß ein Schleifer früh starb. Fast ebenso schlimm war die Feuchtigkeit. Das bei der schnellen Umdrehung des Steins wegspritzende Wasser durchnäßte die Kleidung. So stellten sich Erkältungen und andere Leiden, besonders die Gicht, schon früh ein. Und wenn die Leute, um sich zu erwärmen, dem Alkohol zusprachen, war der Weg zum Kirchhof nicht mehr weit. Dieses um die Jahrhundertwende gezeichnete Bild von den Arbeitsbedingungen der Schleifer zeigt, welchen Belastungen das angesehene Handwerk ausgesetzt war, das die Schleifsteinherstellung in der Eifel in die Höhe schnellen ließ.

Eine erhebliche Besserung brachten die um 1900 aus England übernommenen Schleifrutschen. Auch bei ihnen hängt der Schleifstein zur Hälfte im Schleiftrog, aber über dem Stein ist ein viel kleinerer und etwas breiterer Druckstein angebracht. Zwischen beiden Steinen ergibt sich eine längs über die Schleifsteinrundung von vorne nach hinten verlaufende Schleifbahn, die sogenannte Rutsche. Die Werkstücke brauchen nur noch dort hinein geschoben zu werden, dann übernimmt der mit Verzögerung drehende Druckstein die Führung. Der Schleifer, dem ein "Hintermann" als Helfer beigegeben ist, welcher das geschliffene Werkstück hinter der Rutsche entgegennimmt, kann sich vor dem Stein frei bewegen. So ist er dem Steinstaub und dem Spritzwasser nicht unmittelbar ausgesetzt. Ein starker Panzer, der bis in Brusthöhe vor dem Stein angebracht werden kann, vermindert zudem die Gefahr, die unter Umständen beim Zerspringen des schnelltourig drehenden Schleifsteins entstehen kann. Sämtliche heute noch betriebenen Handschleifen sind in der gleichen Weise eingerichtet.

Diese Neuerung, welche die gefürchtete Schleiferkrankheit merklich einzudämmen vermochte, konnte an dem 30 Jahre später ausgesprochenen Verbot für Natursteine nichts ändern. Sie bewirkte zunächst für einige Jahrzehnte eine beträchtliche Steigerung der Produktion in den Steinbrüchen, da zu den herkömmlichen Schleifsteinen nun noch die 70 bis 90 cm hohen und ungefähr 50 cm starken Drucksteine hinzukamen. Die kleinen Rundlinge konnten aus den bis dahin kaum verwertbaren Felsstücken gehauen werden, die bei der Herstellung großer Steine abfielen. Dies trug dazu bei, daß sich die Arbeit in den Steinbrüchen zu Beginn des Jahrhunderts lohnender gestaltete. Auch das Verbot in den dreißiger Jahren wirkte sich nicht schlagartig aus. Wegen der unzureichenden Qualität der ersten Kunststeine und wegen der Einsprüche der Schleifer und Schmiede, konnte es nur allmählich durchgesetzt werden, endgültig erst in den Jahren nach dem letzten Krieg; wir sahen, mit welchen Ausnahmen.

So waren es in erster Linie die besonderen natürlichen Eigenschaften des Sandsteins -sowohl die förderlichen als auch die ungünstigen wurden aufgezeigt -, welche die Anstöße gaben für das Aufblühen und für den Niedergang des Eifeler Schleifsteinhauergewerbes. Eine weitere Ursache für diese Entwicklung, die vor allem in Neidenbach sichtbar wird, ergibt sich aus den Veränderungen in der Bergischen Kleineisenindustrie, bei denen die Schleifer eine besondere Rolle spielen, zum Teil bis in die Gegenwart.

Im Mühlenregister des Bergischen Amtes Beyenburg von 1608, das zur Erhebung der Wasserkenntnis auch die übrigen Wassertriebwerke vermerkt, werden neben Hämmern bereits Schleifen aufgeführt. So bestanden damals allein am Morsbach zwischen Clarenbach und Clemenshammer außer 4 Klopfhämmern - wahrscheinlich Pochwerke für die Eisenerzeugung, daneben werden auch Stahl- und Reckhämmer zur Verfeinerung des Eisens genannt - 9 Schleifkotten. An den Bächen in den Amtern Bornefeld und Cronenberg und im Solinger Gebiet sah es nicht anders aus. Diese Tatsache spricht für eine frühzeitige Aufgliederung des Eisengewerbes, über dessen Anfänge im Bergischen Land keine gesicherten Quellen vorhanden sind, in Werkstätten der Eisenerzeugung, in Schmieden und in Schleifen. In den Schleifen, die wegen des erforderlichen Wasserantriebs in den Bachtälern lagen, wurden die in den Schmieden hergestellten Waren geschärft. Die Schmieden dagegen, in denen die Werkstücke mit Handhämmern geformt werden mußten, lagen ursprünglich alle auf den Höhen bei den Siedlungen.

Die ältesten Nachrichten lassen nicht nur erkennen, daß die Schmiede und Schleifer von Anfang an ihre Handwerke getrennt voneinander und selbständig ausübten, sie bezeugen auch eine frühe Spezialisierung nach Warengattungen. Während sich die Schwertschmieden, später die Klingen- und Schneidewarenindustrie, in Solingen konzentrierten, wurden in Ronsdorf-Lüttringhausen hauptsächlich Sicheln und in Cronenberg-Remscheid Sensen, beziehungsweise Sichten gemacht. Zur Fertigstellung dieser Waren war man in allen drei Handwerken auf die Schleifer angewiesen. Als man sich innerhalb der drei Sondergewerbe zu zunftmäßigen Handwerksbruderschaften oder Ambachten zusammenschloß, bezog man wohlweislich die Schleifer mit ein, genauso wie die ebenfalls mit diesen Schmiedewaren befaßten Härter und Händler. So haben wir von vornherein zwischen den nach den Zunftordnungen getrennten Schwertschleifern, deren Privilegien bereits 1401 formuliert wurden, den Sichelschleifern und den Sensenschleifern zu unterscheiden. Selbstverständlich kamen noch Unterschiede hinzu, die sich im Hinblick auf die verschiedenen Waren aus den besonderen Schleifverfahren, eventuell auch Schleifeinrichtungen und Schleifsteinen ergaben. Über die in der frühen Zeit verwendeten Steine wissen wir nichts, es dürften Steine verschiedener Größe, Form, Härte usw. gewesen sein. Da die Ausübung des Handwerks innerhalb der Zünfte erblich war und an feste Regeln gebunden blieb, mußte sich das Trennende stärker auswirken als der gemeinsame Schleiferberuf. Daran hat sich auch nach der Aufhebung der Zünfte zu Anfang des 19. Jahrhunderts nichts geändert. Wir verfolgen die Entwicklung bei den Remscheider Sensenschmieden, weil hier die Auswirkungen auf das Eifeler Schleifsteinhauergewerbe besonders deutlich werden.

Der Zusammenschluß der Sensenschmiede, Sensen- und Stabschleifer zur Bruderschaft durch die von der Düsseldorfer Hofkammer verliehenen Handwerksprivilegien erfolgte im Jahr 1600. In der Verleihungsurkunde, in der die Handwerksordnung festgelegt ist, wird den Schleifern als Mitgliedern der Sensenzunft auferlegt, in erster Linie ihre Handwerksgenossen zu bedienen und deren Sensen, Sichten und Strohmesser handwerksgerecht zu schleifen. Der hier gebrauchte Ausdruck "Stabschleifer", der im Wechsel mit "Sensenschleifer" verwandt ist, bezieht sich auf "Stabware", wahrscheinlich ein Sammelbegriff für die oben aufgezählten Erzeugnisse der Sensenschmiede. Sie wurden nämlich alle aus gereckten Eisenstäben hergestellt. Als später beim Niedergang des Sensenhandwerks andere Schmiedeerzeugnisse in den Vordergrund traten, die man ebenfalls aus Stabeisen oder Stabstahl tertigte, leiteten die Schleifer ihre Zuständigkeit dafür von diesem Ausdruck ab.

Die Anzahl der Sensen, die in verschiedenen Sorten an den Niederrhein, nach Holland, Brabant, Flandern, Frankreich, England, Norwegen und in die Ostländer gingen, wird für die Zeit der Zunftgründung auf mindestens 54 000 geschätzt. Im Gegensatz zu den "Blauen Sensen", die aus der Steiermark kamen, wurden sie als "Weiße Sensen" bezeichnet. Diese Handelsbezeichnung ist heute noch für die Ware aus der letzten bergischen Sensenschmiede in Schlebusch gebräuchlich. Sie hob einen wesentlichen Materialunterschied hervor: Die steirischen Sensen waren ganz aus Stahl hergestellt; die Bergischen besaßen ursprünglich nur eine schmale, mit dem aus Eisen geschmiedeten Blatt verschweißte Stahlschneide. Während der Stahl beim Härten bläulich anlief, bekamen die Eisenblätter eine schmutziggraue Farbe und mußten daher blank gemacht werden. Insofern trifft die Bezeichnung auch das Aussehen. Da der silbrige Glanz im Laufe der Zeit die Bedeutung eines Herkunfts- und Qualitätszeichens erlangte, kommen die Schlebuscher Sensen selbst heute noch blank in den Handel, obwohl man auch im Bergischen schon lange kein Eisen mehr verwendet. Die Sensenblätter werden auf dem Schleifstein blank geschliffen. Heute wie früher gehört das zur Arbeit der Sensenschleifer. Sie hatten also nicht nur die Schneiden zu schärfen und die Sensen damit gebrauchsfertig zu machen, sondern gaben ihnen in ihren Kotten auch das glänzende Aussehen, das den Verkauf förderte.

Welchen Einfluß die Schleifer von Beginn an in der Sensenzunft hatten, zeigen die Rechte, die man ihnen einräumte. Obwohl sie anfangs mit 10 Genossen gegenüber den 72 Schmieden nur eine recht kleine Minderheit stellten, billigte man ihnen im Vorstand der Bruderschaft paritätische Mitwirkung zu. Von den 7 Sitzen der Ratleute besetzten sie mit dreien genau soviel wie die Schmiede. Der siebente Sitz wechselte zwischen beiden Parteien. Der Handwerksvogt, der den Vorsitz hatte, wurde allerdings aus den Reihen der Schmiede gewählt. Bei der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Schleifer kam es häufig vor, daß Klage wegen der verspäteten Abfertigung der gelieferten Rohsensen und wegen des dadurch stockenden Verkaufs geführt werden mußte. Dem war - vor allem bei steigender Produktion - nur damit abzuhelfen, daß man immer mehr Schleifer zuließ. 1763 kamen auf 73 Sensenschmiede, die also nur um einen vermehrt worden waren, bereits 96 Schleifer. Ihre Anzahl war damit um 86 gestiegen. In gleichem Maße gewannen die Schleifer an Schwergewicht in der Bruderschaft, so daß sie ab 1780 auch das Amt des Vogtes für sich in Anspruch nehmen konnten.

Vorher hatten sie schon wichtige Kontrollaufgaben übernommen. Da sämtliche Rohsensen zur Fertigstellung durch ihre Hände gingen - diese mußten mit dem Zeichen der Schmiede gekennzeichnet sein -, konnten die Schleifer mühelos die in der Handwerksordnung vorgeschriebenen Qualitätsbestimmungen überprüfen. Sensen, die ihnen nicht entsprachen, mußten zurückgewiesen werden. Ebenso war es den Schleifern möglich, die Menge der Produktion zu überwachen, die in der Handwerksbruderschaft für jeden einzelnen Schmied jährlich neu festgelegt wurde. Die so erreichte Schlüsselstellung kam ihnen zugute, als die Sensenschmiede sich seit dem 18. Jahrhundert der vordringenden Konkurrenz der märkischeri Sensen nicht gewachsen zeigten. Grund hierfür war z. T. schon die Stillegung der mit Wasser angetriebenen Sensenhämmer im Jahre 1658. Sie waren in den Jahrzehnten vorher aufgekommen und wurden von wohlhabenden Schmieden zum Breiten der Sensenblätter genutzt, wodurch sich deren Leistung vervielfachte. Da dies jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieß, wurden die Wasserhämmer von der Bruderschaft verboten. Die märkischen Sensenschmiede waren durch solche Beschränkungen nicht behindert und überschwemmten zunehmend den Markt mit ihrer Massenproduktion, die auch preiswerter angeboten werden konnte. Viele von den tüchtigsten bergischen Sensenschmieden verlegten ihre Werkstätten unter dem wachsenden Wettbewerbsdruck in die Mark, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfanden. Die übrigen gaben im Laufe des 19. Jahrhunderts ihr Handwerk auf oder wandten sich anderen Schmiedeerzeugnissen zu, so daß schließlich die Sensenherstellung im Remscheider Raum ganz aufgegeben wurde. Bis es dazu kam, hatten die Schleifer eine solche Vorrangstellung erreicht, daß sie die außerhalb der Zunft hergestellten freien Schmiedewaren an sich ziehen konnten.

Es gab im Bereich der Sensenbruderschaft zahlreiche Kleinschmiedewerkstätten, in denen Schaufeln, Hacken, Hämmer, Beile und andere Werkzeuge angefertigt wurden. Die Ausweitung des Schleiferprivilegs auf diese Artikel wurde damit begründet, daß es sich auch hierbei um Stabware handele. Das Vorhandensein der zahlreichen Schleifkotten, die beim Niedergang der alten Sensenschmieden nach neuen Aufträgen suchten, regte sicher dazu an, die Kleinschmieden zu vermehren und ständig neue Artikel wie Sägen, Hobeleisen, Feilen, Schlittschuhe, Zimmermannswerkzeuge usw. aufzunehmen. Auch die brotlos gewordenen Sensenschmiede stellten sich darauf um. So waren die Schleifer maßgeblich am Ausbau des Kleinschmiedehandwerks beteiligt, dessen Zentrum heute Remscheid ist. Sie sicherten sich das ausschließliche Recht zur Fertigbearbeitung aller Werkzeuge, das über die Zunftzeit hinaus wirksam blieb. Selbst als im 19. Jahrhundert die ersten Werkzeugfabriken aufkamen, mußten diese ihre Erzeugnisse in den Bachkotten für Stücklohn schleifen lassen.

Das änderte sich erst, als man durch leistungsfähige Motoren vom Wasserantrieb unabhängig wurde. Um 1900 stellte man die ersten Schleifsteine in den Fabriken auf. Kein Schleifer war anfangs zu bewegen, hier in unselbständiger Tätigkeit zu arbeiten. Wie wir gesehen haben, suchte man sich u. a. mit angelernten Schleifsteinhauern zu helfen. Da man auf diese Weise dem wachsenden Bedarf nicht gerecht werden konnte, ging man schließlich dazu über, die fabrikeigenen Schleifwerkstätten an Schleifer aus dem alten Schleiferstand zu vermieten. In den Zwillingswerken z. B. waren zeitweilig 50 von ihnen im Mietvertrag beschäftigt. Sie arbeiteten auf eigene Rechnung für den halben Stücklohn und bestanden darauf, sich ihre Schleifsteine selber zu besorgen.

Wie berichtet wurde, gab es erst seit 1925 in größerer Zahl fest angestellte, abhängige Schleifer. Obwohl die Schleifkotten in den Bachtälern nach und nach verschwanden, blieb bis dahin das Handwerksmonopol, das längst keine rechtliche Grundlage mehr hatte, praktisch in Geltung. Aufgrund ihrer früheren Stellung hielten sich auch danach noch Vorrechte der Schleifer, und es bildeten sich neue aus, selbst als man auf Kunststeine überging. Dazu gehörte das Schnapstrinken während der Arbeit, "um den Steinstaub herunterzuspülen", und die Befreiung vom Zwang, die Arbeitsstunden einzuhalten. Es gab bis vor kurzem noch Schleifer, die für sich das Recht des "blauen Montags" und "blauen Freitags" in Anspruch nahmen. Dafür arbeiteten sie samstags, wenn der übrige Betrieb ruhte. Diese Sonderrechte, die den Betriebsablauf erheblich störten, konnten erst nach dem letzten Krieg allmählich abgebaut werden. Mit dem Aufkommen der Schleifmaschinen verloren sie sich ganz. Seitdem zählen die Schleifer zu den Facharbeitern, bis auf die wenigen. die sich ihre Eigenständigketi in der eigenen Schleiferei bewahrt haben. Dazu gehört auch ein Betrieb, der noch Schleifsteine in Neidenbach bezieht.

Solange Natursteine gebraucht wurden, die in ihren Eigenschaften immer Unterschiede aufweisen, welche den Schleiferfolg beeinflussen, hatte dies bestimmte Auswirkungen. Es wurde schon erwähnt, daß die Sensenschleifer bei der Umstellung auf das Schleifen von Kleineisenwaren den Anstoß zur Erschließung der Steinbrüche oberhalb des Kylltals gaben. Die früheste Nachricht über die Herkunft der Schleifsteine datiert 1773 - damals gab es in Neidenbach noch keine Steinbrüche. Sie ist in einer amtlichen Aufstellung der Güter enthalten, welche für das Bergische Schmiedegewerbe importiert werden mußten und bezeugt, daß die Schleifsteine schon damals aus der Eifel kamen. Ohne genauere Angaben wird hier die Mosel genannt. Das stimmt mit dem überein, was die ältesten Neidenbacher Steinhauer überliefern. Aus den Berichten ihrer Vorfahren wissen sie, daß um 1850, also schon vor Fertigstellung der Eisenbahnstrecke Trier-Köln, in Kyllburg Schleifsteine gebrochen wurden. Man brachte sie mit Fuhrwerken an die Mosel zur Verschiffung. Andere verkehrsgünstig gelegene Orte wie Beilingen oder Welschbillig sind ebenfalls bezeugt.

Aus der Ähnlichkeit der Arbeitseinteilung in den Steinbrüchen und Schleifkotten ergaben sich Parallelen, auf die hier hingewiesen werden muß. Da der losgetrennte Sandstein viel Feuchtigkeit anzieht und bei Frost zerplatzt, ruhte die Steinhauerei während des Winters. Dann wurde der Abraum weggeschafft, um den Fels für das nächste Sommerhalbjahr freizulegen. Auch die Bachschleifen mußten stillgelegt werden, wenn sie auf den verschneiten Wegen nicht zu erreichen waren oder wenn der Frost die Wassergerinne gefrieren ließ. Der Bedarf an Schleifsteinen war also im Winter stark eingeschränkt, so daß man früher im Hinblick auf beide Gewerbe von Saisonbetrieb sprechen konnte. Das änderte sich, als die Schleifereien um die Jahrhundertwende auf Motorantrieb umgestellt wurden. Seitdem benötigt man im Winterhalbjahr die gleiche Menge von Schleifsteinen wie im Sommerhalbjahr. Im Eifeler Sandsteingebiet konnte man der erhöhten Anforderung nur nachkommen, indem man die Produktion im Sommer nahezu verdoppelte, also die Anzahl der Brüche vermehrte, beziehungsweise mehr Steinhauer einstellte. Aus dem angegebenen Grund konnten die Schleifsteine bei Frost aber auch nicht über weite Strecken transportiert werden. Sie mußten vor Wintereinbruch an Ort und Stelle sein. Das begünstigte die zahlungskräftigen Händler, die in der Lage waren, für den Winter hunderte von Schleifsteinen auf Lager zu halten.

Es mag zunächst erstaunlich sein, daß die meisten Schleifsteinhändler aus dem Schleiferberuf hervorgegangen sind. Die Verbindung zwischen Steinhauern und Schleifern war jedoch immer schon rege, da letztere auf der Suche nach geeignetem Steinmaterial häufig das Sandsteingebiet in der Eifel besuchten. Es gab Schleifer, die sich in jedem Neidenbacher Steinbruch auskannten. So lag es nahe, daß sie sich auch mit dem Handel befaßten. Ihre Materialkenntnis bewahrte sie vor Fehlgriffen. Schon in der Zunftzeit waren einige Schleifer zu reichen Handelsherren geworden. Nach der Handwerksordnung konnten sie sich am Verkauf der Sensen beteiligen, was sie vor allem in den arbeitsarmen Wintermonaten ausnutzten. Der Handel war ihnen also nicht fremd. Als es um die Jahrhundertwende galt, die neuen Sandsteinlager auf den Höhen über der Kyll zu erschließen, traten solche Händler auch als Steinbruchunternehmer hervor. Sie besaßen das erforderliche Kapital zur Anlage lohnender Brüche. Von den Großbetrieben, die sich in Neidenbach auftaten, wurden zwei von ehemaligen Remscheider Schleifern und einer von einem Schleifkottenbesitzer aus Solingen eingerichtet. Zwei von ihnen beschäftigten zeitweise an die 100 Arbeiter.

Quellenverzeichnis: Festschrift M. Zender, 1970

 


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